Was nun „FDP“ – Die Schweiz ein Einzelfall?

Gespräch zwischen Dr. Wolf Klinz Mitglied des Europäischen Parlaments und Karl-Richard Krüger Europabeauftragter im Landkreis Offenbach.

FDP_EP

Karl-Richard Krüger:
Sehr geehrter Herr Dr. Klinz – Gleich zu Beginn. Eine Zuwanderungspolitik der EU gibt es nicht. In den Verträgen wird aber der freie Güter-, Kapital- und Personenverkehr festgelegt. Darüber hinaus gibt es keine gesetzlichen Regelungen, die die sozialen Systeme in den europäischen Staaten regelt. Dieser Übergang ist die Subsidiaritäts-Schwelle zur Eigenverantwortung.

Dr. Wolf Klinz:
Das ist aus EU-Vertragsrechtlicher Sicht richtig. Die Regelung z.B. der Sozialsysteme liegt einzig und allein in den Händen der EU-Mitgliedsstaaten. An den immer wieder auftretenden Diskussionen um Armutszuwanderung erkennt man aber die Versäumnisse unserer nationalen Politik. Scheinbar hat man die Hände zu lang in den Schoß gelegt. Leider sind diese Versäumnisse Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die D-Mark wieder haben wollen und immer wieder die Schuld bei den Anderen suchen.

Karl-Richard Krüger:
Wie beurteilen Sie die Entscheidung der Schweiz?

Dr. Wolf Klinz, MdEP (Quelle: www.wolf-klinz.de)
Dr. Wolf Klinz, MdEP (Quelle: www.wolf-klinz.de)

Dr. Wolf Klinz:
Ich bedaure als überzeugter Europäer die knappe Entscheidung der Schweizer, in Zukunft die Freizügigkeit der Bürger in Europa wieder aufzugeben und den Zuzug in die Schweiz über Kontingente zu steuern. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt zeigt, dass die Einwanderer in der Schweizer Wirtschaft dringend gebraucht werden. Es gibt bei einer Arbeitslosenrate von 3,2% praktisch keine Arbeitslosigkeit. Insofern schneidet sich die Schweiz ins eigene Fleisch, wenn sie den Zuzug erschwert. Die Schweizer Wirtschaft wird wahrscheinlich ihr Entwicklungspotential nicht mehr voll ausschöpfen können. Die Schweiz nutzt die Vorteile der EU und möchte auch weiterhin einen Zugang zum größten Binnenmarkt (Kapitalanlagen und Touristen) der Welt. Wir Liberale wollen ein Europa ohne Grenzen und keine Renationalisierung. Dafür steht Schengen, das wir nicht in Frage stellen wollen.“

Karl Richard Krüger:
Die EU-Kommission führt den Erweiterungsprozess unabhängig von den Mitgliedsstaaten durch. Aus dem Kern-Europa (z.B. Frankreich, Italien, Benelux-Länder) ist ein Staatenbund mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten geworden. Die Bürger haben vielerorts das Gefühl, sie laufen der weiteren Integration hinterher. Was ist hier zu tun?

Karl-Richard Krüger, Europabeauftragter der FDP Offenbach Land
Karl-Richard Krüger, Europabeauftragter der FDP Offenbach Land

Dr. Wolf Klinz:
Die EU hat unter Anderem die Aufgabe der Entwicklung strukturschwacher Regionen. In einem wachsenden Europa müssen wir unsere eigenen Hausaufgaben machen. Die Idee „Europa“ ist nicht verantwortlich für die Versäumnisse und Vertragsverletzungen der Mitgliedsstaaten. In jedem Fall muss Deutschland seine Sozialsysteme fit machen für dieses veränderte, große Europa.

Karl Richard Krüger:
Der sogenannte Königsweg einer direkten Demokratie kann nicht mit einfachen Fragen beschritten werden. Es gehört mehr dazu. In einem Land wie Deutschland ist die Öffentlichkeit und damit die repräsentative Demokratie ein wichtiges Korrektiv. Wie gehen wir jetzt nüchtern gesagt mit der Entscheidung der Schweizer Bevölkerung um?

Dr. Wolf Klinz:
Zugegeben, ich habe Verständnis dafür. 80.000 Einwanderer in der Schweiz entsprechen 800.000 Einwanderer in Deutschland. Aber bei einer Arbeitslosenquote von 3,2 werden faktisch alle Arbeitskräfte dringend benötigt um die Wirtschaft der Schweiz auf Trab zu halten. Die Schweiz ist kein Mitglied der EU, von daher sollten wir die Entscheidung respektieren. Die Schweiz hat jetzt für die Umsetzung 3 Jahre Zeit.