Rede zum 1. Nachtragshaushalt 2020/21

Sperrfrist – Redebeginn. Es gilt das gesprochene Wort.

Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
sehr geehrte Damen und Herren,

Thilo Seipel, Fraktionsvorsitzender der FDP Neu-Isenburg
Thilo Seipel, Fraktionsvorsitzender der FDP Neu-Isenburg

am 6. November 2019 habe ich im Zuge der zweiten Lesung folgendes vorgetragen: „Uns erscheinen die Haushaltsansätze der Gewerbesteuer sehr euphorisch… Wir empfehlen dem Kämmerer dringend, die Haushaltsansätze in beiden Jahren nach unten zu korrigieren, um der volkswirtschaftlichen Entwicklung Rechnung zu tragen.“ Was dann 2020 folgte, war nicht nur eine Abkühlung – es war ein Sturz ins Eis. Covid-19 ließ alle Prognosen Makulatur werden; wir erlebten einen Einbruch, der nahezu alle Zweige der Realwirtschaft erfasste. Auch für Neu-Isenburg zeichneten sich dramatische Einbrüche ab, doch dann kamen Bund und Land und schütteten aus dem Füllhorn 26 Mio EUR aus: Schwein gehabt, anders kann man es nicht sagen. So stehen wir zumindest in diesem Jahr am Ende so da, als ob nichts passiert wäre. Für 2021 wage ich derzeit keine Prognose.

Ich habe den Stammhaushalt im vergangenen Jahr als unspektakulär bezeichnet, und so verhält es sich auch mit dem 1. Nachtragshaushalt. Hier wird nachvollzogen, was sich im Gesamtjahr abgezeichnet hat; neue oder veränderte Schwerpunkte wurden nicht gesetzt.

Dankbar sind wir, dass die Hebesätze der Grund- und vor allem der Gewerbesteuer konstant bleiben. Das ist der Beitrag der Stadt Neu-Isenburg zu einer wirtschaftlichen Erholung der Unternehmen, zur Vermeidung einer steigenden Belastung der Bürger und insgesamt ein gutes Signal für unseren Standort.

Dennoch glauben wir aber, dass man auch in diesem Nachtragshaushalt trotz „Fahren auf Sicht“ mit vergleichsweise geringen Mitteln Signale für die Zukunft hätte setzen können.

1) Wir haben erneut die Aufnahme von Haushaltsmitteln zur Ausstattung der Bibliotheken mit RFID-Chips beantragt. Wenn wir – wie es der Tenor in allen vorgelagerten Ausschüssen war – einen zukunftsfähigen Komplex Hugenottenhalle/Stadtbibliothek haben wollen, müssen wir auch die Ausleihvorgänge einfacher und zukunftssicher gestalten. Dabei sehen wir RFID-Chips nicht als Luxus, sondern als einen ersten kleinen Meilenstein zu einer neuen Bibliothek, die hoffentlich in den nächsten Jahren entstehen wird. So können die Mitarbeiterinnen bereits jetzt die Medien mit dieser Technik ausstatten und haben mehr Zeit für Beratung. Wenn erst einmal eine neue Bibliothek steht, werden die Mitarbeiterinnen alles andere zu tun haben, als noch neue Chips zu implementieren. Leider wurde dieser zukunftsweisen Antrag abgelehnt.

2) Wir haben erneut 50 TEUR für die Realisierung eines Jugendtreffs im Osten der Stadt beantragt. Dessen Notwendigkeit wurde erst jüngst wieder mit Drucksache 18/2231 vor Augen geführt. Wenn wir unser pädagogisches und Freizeitangebot sinnvoll abrunden wollen, brauchen wir den Jugendtreff! Das Birkengewann strebt der Vollendung entgegen, und wenn wir nicht nur einen Bolzplatz, sondern eine hochwertige Jugendeinrichtung haben wollen, müssen wir jetzt anfangen.

3) Für eine Illumination der Stadt bedarf es wie in Drucksache 18/2183 dargestellt Planungskosten von rund 30 TEUR. Zwar wurde eine Beratung hierüber in die Beratung zum 2. Nachtragshaushalt zurückgestellt, aber dies ist zu spät: Wir wollen bereits jetzt planen, denn wir sehen hier ein relativ einfaches Mittel, die Stadt bereits jetzt anspruchsvoller zu gestalten und optische Ausrufezeichen zu setzen – Lichtverschmutzung ist das gerade nicht, wie auch die Ausarbeitung der Verwaltung zeigt. Nun, hier ist noch nicht alles verloren, aber wir sehen diese Investition als einen Beitrag zur Identitätsstiftung und Unverwechselbarkeit der Stadt.

Man kann uns natürlich entgegenhalten, wie soll das finanziert werden. Nun, da sage ich Ihnen: Die Finanzierung erfolgt, wie auch die zusätzlichen Personalaufwendungen im Nachtragshaushalt 2021 für die FB 50.1/50.2 und 51 von 222 TEUR (!) erfolgen sollen: Über die Auflösung von Rückstellungen. Es ist schon bezeichnend, dass einerseits unsere Anträge, bei denen wir sogar mit einem Sperrvermerk hätten leben können – dieser Kompromiss wäre doch möglich gewesen – mit dem Hauptargument der Kostenbelastung abgelehnt werden, andererseits aber mit einem Federstrich über 200 TEUR Personalkosten zusätzlich mehr bewilligt werden. Konsequent wäre es gewesen, dann auch hier den Fuß vom Gas zu nehmen, denn die Empfehlungen der KGSt1 sind nicht bindend; zumal unsere Personalaufwendungen schon jetzt absolut bei rund 25 Mio EUR je Haushaltsjahr liegen. Teilweise liegt die Kostenentwicklung nicht in der Verantwortung der Stadt (Tarifsteigerungen etc.), an anderer Stelle haben wir es aber sehr wohl in der Hand, gegensteuernd zu wirken, denn auf Dauer werden wir uns wohl diesen Standard nicht leisten können. Es ist bedauernswert, dass unseren wenigen und auch insgesamt betraglich überschaubaren Anträgen in keinster Weise gefolgt wurde. Und seien wir ehrlich: Es hat doch weniger mit Kosten zu tun, sondern einfach mit Ihrem fehlenden Willen: Sie wollen diese Schwerpunkte einfach nicht setzen!

Aus unserer Sicht lässt sich zusammenfassen: Wir haben 2020 Glück gehabt, und es steht zu vermuten, dass wir auch im kommenden Jahr den Gürtel bei den Ausgaben, die der regierenden Mehrheit wichtig sind, nicht bedeutend werden enger schnallen müssen. Sogar 1 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, Köln für eine Stadtklimakarte – ein Thema was den Menschen mit Jobängsten in Coronazeiten derzeit besonders auf den Nägeln brennt – ist mehr Geld da. Umso schöner wäre es gewesen, wenn auch wir mit unseren wie ich meine sinnvollen Haushaltsanträgen zumindest in Ansätzen Gehör gefunden hätten. Aber hierzu fehlte der Wille. Wir werden daher auch diesen Nachtragshaushalt wie auch bereits den Stammhaushalt vor einem Jahr ablehnen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Dank an meine Fraktion richten, auf deren Rat und Zuarbeit ich mich in der zu Ende gehenden Wahlperiode sehr verlassen konnte. Bedanken möchte ich mich bei der Verwaltung, insbesondere bei der der Fachbereichsleiterin Frau Rippl und ihrem Team sowie der Presse für ihre Berichterstattung. Bedanken möchte ich mich bei Ihnen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen aus der Stadtverordnetenversammlung für den gegenseitigen Respekt, gute Beratungen und ein trotz unterschiedlicher Auffassungen gutes Miteinander bei unserem gemeinsamen Ziel: Das Beste für Neu-Isenburg zu erreichen.

Thilo Seipel,
Fraktionsvorsitzender